N24 über Aids in Tansania

N24 berichtet über die Situation in Bezug auf Aids in Tansania.

Der Link: http://www.n24.de/politik/ausland/?a2006011009333287751

Der gesamte Artikel folgt hier:

Quelle: N24

10. Januar 2006

Sex für ein Tütchen Zucker

Von Silvia Vogt

Schon für ein Stück Seife oder eine
Tüte Zucker sind Frauen hier zu haben. Lediglich 500 tansanische
Shilling (etwa 30 Cent) ist einer Studie zufolge der Sex im Südwesten
Tansanias wert. Ohne Kondom bekommen die Frauen und Mädchen etwa das
Zehnfache, wie die tansanische Gesellschaft für Familienplanung in
einer Umfrage in Songea herausgefunden hat. „Die Ergebnisse sind
erschreckend, aber bewahrheiten sich leider immer wieder“, sagt der
Arzt Martin Ndunguru in Lituhi am Nyassa-See.

„Für nur ein paar
Shilling riskieren die Frauen ihr Leben. Aids breitet sich so rasant
aus.“ Bei einer HIV-Rate von rund zehn Prozent in der Region hat das
Virus leichtes Spiel. „Aber was erwarten Sie, wenn Sie sehen, wie arm
die Menschen sind?“, fragt Ndunguru. „Sie brauchen nur dort in die
Sekundarschule gehen: Einige M�dchen haben nicht einmal genug zu
essen.“ Sie sind leichte Beute für Männer, die ihnen Essen, Geld für
die Schulgebühren oder ein schickes Kleidungsstück in Aussicht stellen.

Viel zu wenig Aufklärung

Die
Armut sei ein wesentlicher Faktor für die Ausbreitung von HIV, betont
Ndunguru. Gekoppelt damit seien mangelnde Aufklärung quer durch die
Gesellschaft und fehlende Selbstbestimmung der Frauen. „Wer nicht genug
über HIV und Aids weiß oder sich nicht traut, zu widersprechen, ist
viel stärker gefährdet“, sagt der Arzt. „Wir brauchen viel mehr
Aufklärung.“

Ndunguru geht mit gutem Beispiel voran. Er hält
Seminare für Jugendliche, bei denen er Ansteckungswege aufzeigt, zur
Treue mahnt oder offen Fragen wie die Sicherheit von Kondomen
diskutiert.

Mahnende Lieder und Plakate

Dass Aids ein großes
Problem ist, wird den Tansaniern täglich vor Augen gehalten. Plakate an
der Bushaltestelle warnen vor der Killerkrankheit, und auf T-Shirts
prangt der Aufdruck: „Verbreite die Botschaft, nicht das Virus!“

Sänger
Ferooz, dessen Lieder auf nahezu jeder Fahrt in den populären
Kleinbussen erklingen, mahnt eindringlich zur Vorsicht. Er mimt einen
Aids-Kranken, der seine Freunde aufruft, ihre Lehren aus seinem
Schicksal zu ziehen und nicht – wie er – die „Frauen wie die Kleinbusse
zu wechseln“. Auch Fußballer wie Juma Kaseja Juma machen im Kampf gegen
Aids mobil.

Wer es sich leisten kann, findet auch Ratschläge in
einer neuen Jugendzeitschrift: „Femina Hip“ heißt das
Aufklärungsprojekt, das mit Unterst�tzung ausländischer Geldgeber ins
Leben gerufen wurde. Auf Englisch und in der Landessprache Kiswahili
werden neben Reportagen über Jugend-Idole oder Beiträgen zu Musik und
Lifestyle auch Informationen und Tipps rund um die
Immunschwächekrankheit locker und jugendgerecht vermittelt.

Das Schweigen in den Familien

In den Schulen wird die
Zeitschrift teilweise kostenlos verteilt. Für die meisten Jugendlichen
ist das auch die einzige Chance, „Femina Hip“ in die Hände zu bekommen.
Denn beim Preis von umgerechnet rund einem Euro ist sie f�r den
einzelnen kaum erschwinglich.

„Jedes kleine Stück Aufklärung ist
wichtig“, betont der Mediziner Ndunguru. „Egal, ob in den Schulen oder
in den Medien. Aber wir m�ssen noch viel mehr Geld und Anstrengungen in
die Prävention stecken.“ Ein großer Hemmschuh sei noch das Schweigen in
den Familien: „Wir müssen zu Hause anfangen“, erklärt Ndunguru. „In den
meisten Familien ist das Gespräch über Sex und HIV noch tabu“, sagt der
Arzt. „Aber wir müssen das Thema offen auf den Tisch bringen!“ (AP)