Herbstfahrt 2014

Montag, sechster Oktober, acht Uhr morgens. Der erste Ferientag der Herbstferien und wir stehen schon mit Wanderrucksäcken vor dem Supermarkt in Langerwehe. Denn es ist endlich wieder Zeit für die Herbstfahrt und die wollen wir so früh wie möglich starten. Wir, das sind fünf Pfadfinder aus unserem Stamm.
Wie bereits gesagt trafen wir uns acht Uhr morgens zum Einkaufen. Unsere Kothe hatten wir schon vorher eingepackt, da wir am Wochenende noch in Viersen bei der Waldjugend waren. So konnten wir nach dem Einkaufen sofort zum Bahnhof gehen und den erstbesten Zug nach Köln nehmen, wo wir in den

Zug Richtung Trier umstiegen. Nach drei Stunden Zugfahrt, die wir fast durchgehend singend verbrachten, stiegen wir in Kordel aus, einem kleinen Dorf in der Eifel und am Rand unseres Fahrtengebiets. Hier fanden wir den Arbeitsplatz unseres Leiters Elmar. Von wegen Filmseite! Nach einem Beweisfoto ging es endlich los. Wir hatten weder Karte noch Kompass, wir wussten nur dass wir Richtung Luxemburg wollen, also nach Westen. Also orientierten wir uns an der Sonne und liefen auf irgendwelchen Wegen die wir fanden nach Westen. Das Wetter war perfekt zum Wandern und wir kamen sehr schnell voran. Als wir in einem kleinen Dorf pausierten, bekamen wir auch schon Besuch von unserem ersten kleinen Fahrten-Highlight: Eine sehr anhängliche Katze. Es dauerte eine halbe Ewigkeit bis sich alle ausgekuschelt hatten und wir weiter kamen. Am späten Nachmittag fingen wir an nach einem geeigneten Schlafplatz zu suchen. Bald schon fanden wir eine schöne Stelle, doch es dauerte noch lange bis unsere Kothe stand. Denn alle längeren Stämme im Wald waren morsch und nicht als Zweibein zu gebrauchen. Erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit hatten wir eine Zeltstange und zogen endlich die schwarzen Planen hoch. Aufgrund der fehlenden zweiten Stange machten wir Feuer vor dem Zelt. Doch es war ein warmer Abend und so konnte der erste Abend beginnen. Es gab leckeres Essen, wir grillten natürlich und dazu gab es Semmelknödel, und im Schein des Feuers und unzähligen Kerzen wurde viel gesungen und gelacht. Erst in später Nacht wurde das Feuer gelöscht und die Schlafsäcke aufgesucht. Kurz nach dem Zuknöpfen der Kothe fing es an zu regnen. Aber uns war warm, wir waren satt und so fielen wir schnell in den Schlaf.

Der zweite Tag begann schleppend. Es wollte nicht aufhören zu regnen. Wir frühstückten bei Kerzenschein in unserem schwarzen Zelt und warteten auf Sonnenschein oder wenigstens auf ein paar trockene Minuten um das Zelt abbauen zu können. Die Gelegenheit kam erst vormittags, doch wir nutzten sie voll aus. Die übliche Hygiene wurde betrieben und die Kothe abgebaut. Nachdem alles eingepackt war wanderten wir weiter.
Auch an diesem Tag kamen wir gut voran. An den Wanderschildern, an denen wir vorbeikamen sahen wir, dass wir am Montag 14 Kilometer gegangen sind. Nicht schlecht für den ersten Tag! Wir nahmen das, und das mittlerweile wundervolle Wetter, als Ansporn und zogen weiter Richtung Luxemburg. Wir wanderten über eine ehemalige Bahnlinie, die heute als Fahrradweg dient und erreichten schnell die Grenze. Grenzsteine gab es diesmal nicht, dafür aber eine Markierung auf einer Brücke. Das reichte uns vollkommen für die üblichen Grenzbilder. Von der Grenze aus änderte sich unsere Wanderrichtung. Von hier aus ging es nördlich weiter, zurück nach Deutschland. Und kaum waren wir einige Kilometer gewandert, holte uns schon der Regen wieder ein. Doch diesmal war es nicht nur klatschnass, noch dazu war es bitterkalt. Als wir endlich in Irrel ankamen, dem Ort in dem wir unsere Vorräte aufstockten, waren wir komplett aufgeweicht. Nach dem Einkauf zogen wir durchs Dorf und suchten nach einer Unterkunft, denn für einen Rückzug in den Wald fehlte die Motivation. Schnell wurden wir fündig: die katholische Gemeinde des Dorfes stellte uns das Pfarrheim zur Verfügung. So hatten wir einen großen, mit Heizungen ausgestatteten Raum zum trocknen der Planen und zum schlafen, eine Küche mit fließendem Wasser und Toiletten. Kurz: der pure Luxus. Auch an diesem Abend blieben wir lange auf, genossen die Wärme der Heizung, sangen unsere Lieder und erzählten Geschichten. Spät in der Nacht sanken wir zufrieden in den Schlaf.

Der nächste Morgen war unser kleines Bergfest. Zwei von uns gingen Einkaufen und wir hatten ein umwerfendes Frühstück mit Brötchen, Rührei und Bacon. Nach dem Essen wurden alle Sachen gepackt und wir putzten das ganze Pfarrheim. Außerdem ließen wir einen unserer Stammesaufnäher da. Denn wie sagte der alte Baden-Powell so schön: „Ein Pfadfinder hinterlässt an seinem Lagerplatz zwei Dinge: 1. Nichts und 2. Seinen Dank an den Besitzer des Platzes.“ Mit dieser Pfadfindertradition verließen wir also das Pfarrheim und auch das Dorf. Auch an diesem Tag regnete es ohne Pause. Nach ein paar Stunden suchten wir Unterschlupf in einer Dorfkirche. Wir brauchten einen trockenen Platz für ein kleines Mittagessen. Wir bezogen also die Kirche und schmierten uns ein paar Brote.
Nach diesem Mittagessen hatte der Regen aufgehört und mit neuem Elan zogen wir weiter. Leider hielt diese Regenpause nicht lange und so kam es, dass wir mitten auf dem Feld von noch mehr Regen als vorher überrascht wurden. Wir beschlossen bei der nächstbesten Stelle unsere Kothe aufzubauen, denn wir waren fast an unserem Tagesziel: Noch 12 Kilometer bis Bitburg. Donnerstag wollten wir dann bis kurz vor die Tore Bitburgs und am Freitag in die Bahn nach Hause. Soweit der Plan. Also bauten wir die Kothe am Waldrand auf als es aufgehört hatte zu regnen. Wir fanden trockenes Feuerholz in einem Unterstand und einen Baum, an dem wir die Kothe hochziehen konnten. Also hatten wir an diesem Abend Feuer in der Kothe und eine warme Nacht war gesichert. Der Abend war recht kurz, denn der Tag war anstrengend gewesen. Als alle schliefen, brach ein Gewitter los. Das Feuer hielt uns zwar warm, aber es konnte uns nicht vor dem Wasser schützen, das unsere Kothe überflutet wurde.

So kam es, dass der Morgen mit Feuerholz hacken begann. Im Regen. In Unterhose. Aber diese Aufopferung lohnte sich, denn an dem Feuer konnten wenigstens Kleidungsstücke getrocknet werden und es gab warmes Essen. Nachdem wir gegessen hatten und die Zähne geputzt waren begannen wir abzubauen. Wir zogen komplett durchnässt nach Bitburg. Der Plan vom Vortag hatte sich geändert: Bloß nicht vor den Toren bleiben, wir gehen in die Stadt und suchen da nach einer Unterkunft! Denn es war alles so nass, dass wir uns nicht noch eine Nacht antun wollten. Also ging es bis ins Zentrum von Bitburg und von da aus auf die Suche nach Behausungen. Nach einiger Zeit des Suchens, offensichtlich waren wir hier nicht so willkommen wie in Irrel, fanden wir endlich ein katholisches Pfarramt das uns helfen wollte. Das Pfarramt selbst hatte selbst keine Räume für uns zur Verfügung, aber die nette Dame im Büro rief den Leiter des Jugendzentrums der Stadt an, der sich sofort zu uns auf den Weg machte. Eine halbe Stunde später schloss er uns die Türen eines Jugendtheaters auf und wir waren hin und weg. Sofort bauten wir aus den Stühlen im Publikumssaal eine Kothenplanen-Schlafsack-Schafsfell-und-alles-andere-nasse-trocken-mach-Station. Gekocht wurde mit Gaskocher auf der Bühne. Nach dem Essen bereiteten wir uns auf den Abend vor: wir richteten uns mit den bereits trockenen Fellen auf der Hauptbühne ein, zündeten Kerzen an und setzten Tschai auf. An diesem Abend wurde laut der letzte Abend auf Fahrt gefeiert. Unsere Lieder schallten laut durch das Theater, dass man es selbst auf der Straße noch hörte. Wir sangen, tanzten und lachten so viel bis unsere Stimmen so heiser waren, das keiner mehr singen konnte. Es wurde immer später und allmählich wurden die Lieder ruhiger und die Gespräche müder. Nach einem Topf Linsensuppe wurden dann die Schlaflieder gespielt und alle fielen in einen tiefen, angenehmen Schlaf.

Der nächste Tag begann langsam und mit Kaffee, der uns von dem Bistro neben dem Theater gespendet wurde. Es wurde gefrühstückt und Hygiene betrieben. Dann wurde natürlich wieder gründlich sauber gemacht und auch der Besitzer des Theaters bekam einen Stammesaufnäher. Diesmal konnten wir unser Dankeschön persönlich übergeben und es wurde mit Begeisterung angenommen. Die Worte „Boah wie geil, den häng ich mir ins Büro!“ werden wir nie vergessen, denn mit so einer Reaktion hatten wir nicht gerechnet. Nach einigen Witzen die mit dem Herrn gerissen wurden ging es dann auch zum Bahnhof. Was wir nicht wussten: Bitburg hat keinen eigenen Bahnhof. Der nächste Bahnhof liegt 10 Kilometer entfernt von der Stadt. Wir müssen ziemlich dumm geguckt haben als uns diese Erkenntnis traf. Aber schnell hatten wir uns wieder gefasst und wanderten los. Der Wanderweg zum Bahnhof war sehr schön, er führte durch die volle Natur der Eifel. Es dauerte keine zwei Stunden und wir waren am Bahnhof. Wir kauften uns noch alle ein Eis, dann kam auch schon der Zug. Auf der Fahrt nach Köln wurde natürlich wieder gesungen, und wir haben mehr als nur ein Kompliment für unseren Gesang bekommen. Am Kölner Hauptbahnhof hielten wir dann die Abschlussrunde, denn die Fahrtengruppe teilte sich auf. Der erste stieg schon in Düren aus, zwei in Langerwehe, einer in Weißweiler und eine von uns fuhr weiter bis nach Aachen. Also sangen wir „Nehmt Abschied Brüder“ auf dem Bahngleis. Damit endete unsere Herbstfahrt. Keiner von uns wollte zurück nach Hause, was ein eindeutiges Zeichen einer gelungenen Fahrt ist. Doch jetzt heißt es warten, denn die nächste große Fahrt wird wohl erst in einem halben Jahr sein.

Bis dahin sagen wir
Gut Pfad!